Ein Verein im Wandel der Zeit - Teil 2

Nachkriegsjahre
Am 16.10.1948 fand in der Gaststätte Johann Stocks die erste Versammlung nach dem Krieg statt. 23 Schützen waren anwesend. Sie beschlossen einstimmig, den Verein in seiner bisherigen Form, also als Schützenverein und unter gleichem Namen fortzuführen. Der Monatsbeitrag betrug 25 Pfennig für Jungschützen und 50 Pfennig für Erwachsene. Mit einem öffentlichen Tanzabend, der an Christi Himmelfahrt 1949 stattfand, wurden auch die ersten Feierlichkeiten wieder durchgeführt. Im gleichen Jahr wurde zu Mariä Geburt mit Jakob Nießen der erste Nachkriegskönig ermittelt.
Kinderkönig 1949
Auch die Sprösslinge feierten bereits eifrig mit: Am 16.10.1949 wurde ein „Kinderschützenfest“ an der Schreinerei Stocks abgehalten. Das Schützensilber der jungen Majestät wurde kurzerhand aus Bierdeckeln gebastelt.

Der Grundstein war gelegt. Die noch fehlende Vereinsfahne wurde am Ostermontag 1950 feierlich geweiht. Zum ersten Schützenfest, das im selben Jahr stattfand, meldeten sich u.a. als Zugführer: Willi Steves, Karl-Heinz Heikamp, Josef Panzer und Hans Molls.

Die 50er Jahre
Der Verein wuchs kontinuierlich. Bei den nun stattfindenden Versammlungen waren bereits über 50 Mitglieder anwesend. Am Sonntag vor Christi Himmelfahrt wurde das jährlich stattfindende Schützenfest gefeiert. An Mariä Geburt ermittelten die Schützen die Majestät für das kommende Jahr.

Einmal im Monat trafen sich die Mitglieder zur Versammlung. Brezelschießen, Eierschießen, Damenkaffee und Kinderbescherung intensivierte das Vereinsleben immer mehr.

1952 wurde, so aus den Überlieferungen wörtlich, die „erste Buchse“ angeschafft. Einen absoluten Höhepunkt in dieser Zeit bildete das Fest zum 100jährigen Bestehen des Schützenvereins im Jahre 1954. Die Feierlichkeiten hier zu fanden im Rahmen des Schützenfestes statt.

1954 Jübiläumskönig Jakob Steves

Am Ende des Jahrzehntes wurden vom Verein erstmalig neue Uniformen angeschafft und die Teilnahme der Pagen an den Umzügen hatte Premiere.

1959 Pagen

Wirtschaftlich stand der Verein auf gesunden Füßen. Hier die Einnahmen und Ausgaben von 1956:
Einnahmen: 3277,05 DM, Ausgaben: 2779,15 DM, Erlös: 497,90 DM


Die 60er Jahre
Die 60er Jahre standen ganz im Zeichen des 110jährigen Bestehens des Schützenvereines.

1964 Jübiläumskönig Hans Seib

Am Festumzug, der am Sonntag, dem 3. Mai 1964 stattfand, nahmen ca. 500 Teilnehmer in etwa 28 Gruppen teil. Die Vorbereitungen zum Jubelfest nahmen der Vorstand und ein Festausschuss in die Hand. Eine neu angeschaffte Zeltheizung trat erstmalig ihren „Dienst“ an. In den Broschüren zum Fest wurde auch gleich mit dem Hinweis geworben, dass alle Veranstaltungen im geheizten Festzelt stattfinden. Dies war vor 40 Jahren noch keine Selbstverständlichkeit.


Festprogramm
Zum Festbankett am Samstag, dem 2. Mai 1964, 20.00 Uhr

1. Einführungsmarsch  „Bundes-Schützenkapelle Neuß“
2. Begrüßung „1. Vorsitzender Joh. Kresken“
3. Männer-Gesangsverein     Chorleiter: Egon Dülks
    1.Wohin mit der Freud` Satz: Friedrich Silcher
    2. Das schönste Wort Satz: Quirin Rische
    3. Süß Liebe liebt den Mai Satz: Friedrich Silcher
    4. Hab mein Wagen vollgeladen    niederl. Volkslied
4. Festrede
5. Ehrung der Jubilare
6. Entgegennahme der Glückwünsche
7. Musikvortrag „Bundes-Schützenkapelle Neuß“
8. Turn-Verein-Neersen    Riege der Damen
9. Quartettverein Liederkranz  Chorleiter: Musikdirektor Theo Hoff
    1. Kling auf mein Lied  Satz: Richard Weber
    2. O wie schön ist deine Welt  Franz Schubert
    3. Hans Reutler – Lißmann
    4. Die 12 Räuber  russ. Volkslied
10. Radfahrverein „Opel“ Neersen
11. Großer Zapfenstreich

Mitwirkende: Bundes-Schützenkapelle Neuß,
Trommler- u. Fanfarenkorps Uerdingen
und die Gesangsvereine
-Änderungen vorbehalten-


Im Jubiläumsjahr gab es einen sprunghaften Anstieg der Mitgliederzahlen. Mehrere Schützengruppen wurden in diesem Jahr gegründet. Doch es gab nicht nur die schönen Ereignisse. So mussten die Schützen ihr Zuhause zum Gasthof „Stocks“ wechseln, da sich im alten Vereinslokal „Zur Kapelle“ kein Wirt mehr fand.

1965 nahmen bereits 11 eigene Schützengruppen am Vereinsleben und Schützenfest teil. Kamen Anfang der 50er Jahre noch 50 Mitglieder zur Versammlung, so wurden nun bereits 80 Kinder zu Weihnachten beschert. Der Vorstand wirtschaftete gut. Hier die Einnahmen und Ausgaben von 1965:

Einnahmen: 11.205,21 DM, Ausgaben: 10.789,66 DM, Erlös: 415,35 DM

Nach heutigen Maßstäben würde sich dafür der Aufwand nicht lohnen. Doch hier ein kleiner Kostenvergleich: 1969 kostete eine Schützenuniform noch 50 DM. Davon bezuschusste der Verein 30 DM. Der Schütze leistete einen Eigenanteil von 20 DM.

Auf der Generalversammlung 1966 kam es zu einem Eklat. Der 1. und 2. Vorsitzende der in Personalunion auch den Posten des Schießleiters inne hatte, traten zurück. Auf der nun folgenden außerordentlichen Generalversammlung stellte sich ein Mitglied des Vereins zur Wahl zum 1. Vorsitzenden. Doch in drei aufeinanderfolgenden Wahlgängen erhielt er jeweils 27 Ja- aber auch 27 Neinstimmen. Daraufhin stellte sich der bisherige 1. Vorsitzende zur Wahl und wurde im vierten Wahlgang mit großer Mehrheit wiedergewählt.

Eine gravierende Änderung der Festfolge gab es ab 1968. Aus finanziellen Gründen (600 DM Verlust) wurde der Vogelschuss auf Schützenfestmontag verschoben. Das Königsgeld wurde auf 850 DM festgesetzt. Doch nicht nur wichtige Dinge wurden seinerzeit auf den Versammlungen besprochen. So monierte ein Schütze, dass er nach dem „Maienausreißen“ nicht nach Wenders kommen könnte, (dort gab es Freibier!!!) weil er Nachtschicht hatte...
(Oder musste er noch Strafexerzieren?)

Strafexerzieren

Die 70er Jahre
„Parade marsch!“ Seit 1971 hört man dieses Kommando des Platzmajors nicht mehr an der Kapelle, sondern auf der Hauptstraße. Platzmangel machte diese Entscheidung unumgänglich. Auf zackige Paradeschritte brauchten die Besucher der Kapelle aber aufgrund der neu eingeführten Vorparade, die zu jedem Schützenfest am Sonntagmorgen nach der Frühmesse stattfindet, nicht zu verzichten.

1971 Parade

Wer kennt es nicht, das Sparkästchen im Vereinslokal? Schon Anfang der 70er Jahre sparten die Schützen eifrig auf das bevorstehende Fest. Einer muss dies besonders genutzt haben, denn er sollte 2 Jahre hintereinander die Königswürde inne haben, obwohl er nur ein Mal auf den Vogel geschossen hatte. Zur Erklärung: Bis 1972 fanden der Vogelschuss und die Krönung des Königs (Hans Holt) an Schützenfestmontag statt. Seine Amtszeit wäre an Schützenfestmontag 1973 mit der Krönung seines Nachfolgers zu Ende gegangen. Aufgrund einer Satzungsänderung vom 02.09.72 wurde der neue König aber erst zu Maria Geburt (Spätkirmes) 1973 ermittelt, und Schützenfestsamstag 1974 gekrönt. Somit war Hans Holt und seine Minister 2 Jahre im Amt. Einen kleinen Obolus stiftete ein jeder Schütze. 1973 betrug das Königsgeld für jeden Schützen 4,00 DM. Jugendliche zahlten die Hälfte. Dieses Geld wurde vom Verein aufgerundet und wie heute noch, an die amtierende Majestät ausbezahlt.

Die Schützendamen haben freien Eintritt. Seit 1974 gibt der Schützenverein Damenkarten an die Schützen aus.

Zu Ehren des 300. Todestages Gerhard Vynhovens findet an Maria Geburt 1974 ein Gedenkgottesdienst unter Mitwirkung des Bischofs statt. Zu den anschließenden Feierlichkeiten im Festzelt verkaufen Schützen Biergläser mit dem Emblem der Kapelle „Klein Jerusalem“.

1974 Bischof

Weiterhin wurde gut gewirtschaftet.
Hier die Einnahmen und Ausgaben aus dem Jahr 1975:
Einnahmen: 29129,00 DM, Ausgaben: 27464,81 DM, Erlös: 497,90 DM

Das Wirtschaftswunder schlug sich auch in den Besucherzahlen im Festzelt nieder. Mitte der 70er Jahre mussten 2 Kassierer an Christi Himmelfahrt eingesetzt werden, um dem Ansturm Herr zu werden. Die Gäste konnten zwischen drei Eintrittskategorien wählen: Frühschoppen bis 15.00 Uhr, 15.00 Uhr bis Ende und eine Tageskarte wurde angeboten.

Auch das gab es im Schützenverein „Klein Jerusalem“: Das Uniformverbot zu Christi Himmelfahrt. Dies hatte bis 1977 Bestand, da die geliehenen Uniformen an Christi Himmelfahrt bis zum Nachmittag in den Wachlokalen abgegeben sein mussten. Da es nun genügend Schützen mit eigenen Uniformen gab, wurde dieses Verbot überflüssig.

Das 1977 in Eigenregie durchgeführte "Vogelschussfest" erbrachte einen Überschuss von 2639,87 DM, womit das Defizit des Schützenfestes ausgeglichen wurde.

1979 Jubiläumskönig Karl Verhalen

Im Jahre 1979 feierte der Schützenverein sein 125jähriges Bestehen im Rahmen des jährlichen Schützenfestes. Neben dem Delbos Trio traten die Ruhrparodisten und Friedel Peters auf. Zu diesem Jubelfest wurde erstmalig ein Festbuch zusammengestellt. Diese Tradition wird bis heute beibehalten.